"64" – Ein analoges “Open-Source-Bildlexikon”




Ein Kunstbuch von Tsuro Ikonberg
(2022)

Das Werk


Auf 64 Seiten verdichten sich mehr als 2.000 dieser Visionen welche mit dem Sakura Pigma Fine Brush Pen entstanden sind, zu einem einzigartigen visuellen Erlebnis – mehrere Zeichnungen pro Seite, jede entstanden in 3-13 Minuten intensiver Präsenz.

Die Methode: Automatic Drawing


In einem Zustand zwischen Wachheit und Trance, zwischen Kontrolle und Hingabe, bewegt sich die Hand. Keine Planung. Keine Konzepte. Kein vorbestimmtes Bild. Das Bewusstsein beobachtet, was durch den Stift auf das Yupo-Papier fließt. Dieser Prozess des "automatischen Zeichnens" öffnet einen direkten Zugang zu prälogischen Bewusstseinszuständen – jener Wahrnehmungsebene, die vor Sprache und konzeptuellem Denken liegt.

Kontrollierte Halluzination


Jede Zeichnung funktioniert als Spiegel: Was du siehst, ist nicht fixiert. Dein Gehirn vervollständigt die Linien zu erkennbaren Formen – Gesichter, Tiere, Landschaften, Symbole. Was ich sehe, siehst du vielleicht nicht. Was du siehst, sehe ich vielleicht anders. Diese Pareidolie ist kein Fehler, sondern das Prinzip: Die Bilder sind Projektionsflächen für dein eigenes Bewusstsein.

Neurowissenschaftler wie Anil Seth beschreiben Wahrnehmung als "kontrollierte Halluzination" – unser Gehirn konstruiert kontinuierlich Realität aus fragmentarischen Sinneseindrücken. "64" macht diesen Prozess sichtbar und erfahrbar.

Mehr als ein Kunstbuch


"64" ist ein Werkzeug, kein passives Betrachtungsobjekt:
  • Ideengenerator für Geschichten, Projekte, kreative Prozesse
  • Soziales Instrument ("Ich sehe... und du?" – Gespräche über unterschiedliche Wahrnehmungen)
  • Persönliches Orakel (aufschlagen, schauen, was dir begegnet)
  • Bewusstseins-Erkundung (Meditation über das, was erscheint und verschwindet)

Neo-Art-Brut: Heilung durch Kunst


Die Zeichnungen entstanden in einem mehrjährigen Heilungsprozess – Kunst nicht als Therapie-Ersatz, sondern als Selbsttherapie. Als Weg zurück zur ursprünglichen Wahrnehmung. Als Brücke zu dem, was Institutionen systematisch aus uns heraustrainieren: die Fähigkeit, prälogisch, nicht-konzeptuell, unmittelbar zu sehen.

Die Arbeit steht in der Tradition der Art Brut, aber mit einem entscheidenden Unterschied: bewusste Integration statt ausschließende Pathologisierung. Neo-Art-Brut bedeutet, die Heilungskrise nicht zu verleugnen, sondern zu integrieren – und den Weg zu teilen.



"64" ist eine Einladung zur Rückkehr – zu einer Bewusstseinsebene, die wir alle einmal kannten, bevor wir lernten, nur noch in Konzepten zu sehen.




Drawing between 2015-2018:


between 2015-2018